Aus dem Leben eines Bewegungskünstlers

Interview mit Romano Carrara

Romano, wie kamst du zum Jonglieren?

Ich habe schon als Kind viele Sportarten ausprobiert und als Jugendlicher jede sportliche Herausforderung angenommen, die in irgendeiner Weise mit Körperbeherrschung zu tun hatte. Als erstes habe ich mit intensivem Breakdance-Training begonnen, als einer der Ersten in der Schweiz. Per Zufall gerieten mir eines Tages Bälle in die Hand; eine totale Herausforderung! Ab der Seminarzeit – als 18-Jähriger - habe ich täglich geübt, stundenlang, verbissen, leidenschaftlich – alleine, mit vier bis sechs Kollegen zusammen. Wir haben zeitweise dreimal wöchentlich ein Lokal gemietet, uns gegenseitig motiviert, heraus gefordert, uns mit neuen Tricks überboten. Neben der Schule habe ich täglich drei bis vier Stunden Bälle in die Luft geschleudert, mich x-mal gebückt, um sie immer und immer wieder aufzuheben. Von aussen gesehen, muss man mich – und meine Kollegen für völlig verrückte Spinner gehalten haben!

Was hat dich fasziniert und motiviert, um stundenlang zu üben, dranzubleiben, durchzuhalten?

Die Herausforderung bestand darin, Grenzen auszutesten, mein persönliches Limit zu erforschen, herauszufinden, wie weit ich meine Körperbeherrschung und meine Fähigkeiten durch permanentes Üben bringen könne. So habe ich mir immer wieder neue, höhere Ziele gesteckt und verbissen trainiert, bis ich sie erreicht habe. Die persönlichen Erfolge und die durchwegs positiven Feedbacks meines Bekanntenkreises motivierten mich fortwährend. Später hat es mich natürlich angespornt, aus dem Hobby einen Beruf machen zu können; Triebfeder für die heutige Arbeit ist sicher die Leidenschaft.

War das in der Jugend nicht hart, die Freizeit statt mit KollegInnen alleine mit den Bällen zu verbringen?

Nein, mein Ehrgeiz und die Lust, Herausforderungen anzunehmen, was wohl meinem Naturell entspricht, verhinderten Durchhänger; nie habe ich ans Aufhören oder an Trainingsverminderung gedacht. Als Kind habe ich immer in Cliquen gespielt, Ping-Pong, Fussball, jede Art von Bewegungsspielen. Später in den Discos, als meine Kollegen lieber herum hingen und am Rande des Geschehens flirteten, tanzte ich oft allein und wie ein Wilder. In den langsamen Runden, wenn sich die Pärchen auf die Tanzfläche begaben, hechtete ich hechelnd an die Theke, um zu trinken und mich zu erholen, um danach völlig verschwitzt nach Hause zu gehen.

Ich habe die Schulzeit bis Ende des Seminars sehr genossen, weil es viele Möglichkeiten gab für mich und ich Zeit hatte, all diese Angebote zu nutzen.

In welchem Alter war dein erster öffentlicher Auftritt?

1983 trat ich an einer Messe als Breakdancer erstmals öffentlichen auf. Zuvor hatten wir uns als Strassenartisten betätigt. Im Jonglieren war der erste Auftritt an einem Schulanlass in der Semizeit. Das Lampenfieber war DAS Thema; es wirkte oft lähmend, bis man auf der Bühne stand. Ich hatte das Gefühl, dass ich nichts mehr könne. Es dauerte viele Jahre, bis ich einigermassen damit umgehen konnte. Beim Jonglieren kann man nicht mogeln wie beim Tanzen; entweder bleibt der Ball oben oder er fällt zu Boden.

Das Lampenfieber bekommt man durch viel Training, Erfahrung und Gewöhnung, aber auch fortwährendes positives Zuschauerecho einigermassen in den Griff.

Welchen persönlichen Wert siehst du im Jonglieren?

Ich fühle mich wohler, gesünder, wenn ich mich bewege. Jonglieren fördert die Konzentration, die Koordination, die Körperbeherrschung und trainiert Durchhaltevermögen und Willen. Jonglieren macht Spass und die Bälle kann man überallhin mitnehmen. Beherrscht man ein paar Tricks, gibt das einem Selbstvertrauen. Indem man sich konzentriert auf die Bewegungsfolgen, sammelt man sich und ist danach bereit, etwas Neues motivierter und konzentrierter anzupacken.

Weshalb findest du Körperbeherrschung wichtig?

Körperbeherrschung lässt mich selbstsicherer, beherrschter auftreten, flösst mir Selbstvertrauen ein. So komme ich nicht schlurfend, ohne Körperspannung daher; bereits das erfordert von den Mitmenschen Respekt. Die Haltung sagt einiges über den Menschen aus. Das sollten sich gerade auch Jugendliche einmal überlegen.

Ganz sicher hat eine gute und gesunde Köperhaltung auch präventiven Charakter.


Was möchtest du den Jugendlichen mit auf den Weg geben?

Ich denke, es ist wichtig, dass sich die Jugendlichen ein Ziel setzen und versuchen, das zu erreichen. Durchhaltevermögen und Ausdauer ist sehr wichtig, egal in welchem Alter, in welcher Situation. Ein Jugendlicher hat viele Narrenfreiheiten, die er nutzen sollte.

Du bist heute ein sehr erfolgreicher Künstler und viel unterwegs, was sicher ermüdend ist; die Shows sind anstrengender Spitzensport. Wie hältst du dich fit? Gibt es Ermüdungserscheinungen und was machst du dagegen?

Ich trainiere täglich, Fitness, Jonglieren, Streching, seis zu Hause oder in einem Lokal. Ich trainiere auch beim Fernseh schauen, bewege mich, streche. Das braucht, fördert aber auch die Konzentration. Mit dem Alter treten manchmal kleine Ermüdungserscheinungen auf, ich fühle mich ausgelaugt nach grösseren Tourneen. Das Gegenmittel heisst „Training“, auch wenn es mir stinkt. Am Schluss bin ich jeweils froh, dass ich mich überwunden habe, dass ich trainiert habe, denn dann fühle ich mich wieder besser.

Welches war das tollste Erlebnis?

Ein unvergessliches Erlebnis (unter vielen wohlgesagt) ist mein erstes Engagement im Ausland damals vor ca.15 Jahren und zwar in Mainz. Zusammen mit meinem damaligen Showpartner sind wir an einem europäischen Tanzlehrerkongress aufgetreten. An die 2000 Tanzlehrer...

Unsere Show war damals eine Vermischung aus verschiedenen Elementen – Tanz, Jonglage, Pantomime, Steptanz und Schlagzeug, eine neue Art von Showact.

Die Leute sind während der 25 min Show 3-4 mal aufgestanden und am Schluss fast ausge-rastet...wir verstanden die Welt nicht mehr, wir wussten schon, dass wir nicht schlecht waren aber sowas! Die Leute sind in unsere Garderoben gestürmt und haben uns mit Daten bombar-diert...ca. 40 Auftritte waren noch am selben Abend gebucht, unglaublich!

Welches Ereignis hast du schlecht verdauen können?

Schlimme Ereignisse gab es zum Glück nicht sehr viele...sonst hätte meine Karriere nicht so lange angehalten...wir waren in Kiel in einer Riesenhalle mit etwa 4000-6000 Zuschauern, eigentlich eh viel zu gross für unsere Show damals. Der Auftritt war auf 22.00 Uhr angesetzt und so waren wir auf diesen Zeitpunkt eingestellt.
Unsere Vorbereitungszeit (Umziehen und Requisiten) war von min. 1/2 Std.
Zur Sicherheit haben wir damit immer 3/4 Std. vorher angefangen. Wir waren also an diesem Abend voll in der Vorbereitung, als um 21.30 Uhr aus den Lautsprechern der Halle unsere Ansage ertönte, keiner hatte uns etwas gesagt. Wir hörten es und mussten Hals über Kopf hochrennen und auf die Bühne - halb angezogen, schlecht vorbereitet, kaum aufgewärmt - stürzten wir uns ins Verderben...alles ist schief gelaufen, wir waren so deprimiert und die Zuschauerreaktionen dementsprechend auch katastrophal...


Vielen Dank für das Interview, weiterhin viel Spass am Beruf, gute Gesundheit und viele zündende, Erfolg verheissende Ideen!

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